Delirmonitoring auf der Intensivstation


Ziele des Projektes

Ziel des Projektes war es, die frühzeitige Erkennung von Delir-Symptomen im Bereich der Intensivstation durch ein gezieltes Screening zu verbessern. Denn eine subjektive Einschätzung, ohne Anwendung eines formalen Assessments zur Erkennung von Delir-Symptomen führt häufig dazu, dass ein Delir aufgrund des vielschichtigen Symptombildes unerkannt bleibt (Inouye 2006).

Mit der Implementierung der ICDSC (Intensive Care Delirium Screening Checklist) wurde das Ziel verfolgt, ein zuverlässiges Instrument für die Delir-Erkennung den Pflegenden und Ärzten zur Verfügung zu stellen (vgl. Bergeron, Dubois, Dumont, Dial, & Skrobik 2001; AWMF 2015). Durch Schulung und Begleitung sollte ein sicherer Umgang mit dem Instrument und der Einschätzung von Delirien ermöglicht werden. Mit der alltäglichen Anwendung und Integration in den Tagesablauf wurde so eine Basis für die frühzeitige Erkennung, Prävention und Behandlung von Delirien im Bereich der Intensivstation geschaffen (vgl. Brummel et al. 2013).

Problemstellung

Die Behandlung auf einer Intensivstation bedeutet für viele Patienten Einschnitte in ihrer Lebensqualität. Es sind gravierende Einschränkungen während und nach einer Intensivbehandlung beschrieben und Patienten klagen über Verwirrtheitszustände, Desorientierung und negative Erinnerungen auch nach dem Aufenthalt (vgl. AWMF 2015). In der aktualisierten S3-Leitlinie der AWMF zu „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin“ vom August 2015 wird erneut auf die hohe Inzidenz von Delir von 30% bis über 80% bei Patienten, die einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfen, hingewiesen. Dabei bildet die Kenntnis des Begriffs und die frühzeitige Erkennung von Symptomen oder Risiken die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung des Delirs.

Der Begriff „Delir“ oder „Delirium“ leitet sich aus der lateinischen Wortherkunft „de lira“, aus der (kognitiven) Spur entgleisen ab und beschreibt eine akute Funktionsstörung des Gehirns (vgl. Girard, Pandharipande & Ely 2008; Pretto & Hasemann 2006). Begriffe aus dem klinischen Sprachgebrauch, wie "ITS-Psychose", "ITS-Syndrom", "akuter Verwirrtheitszustand", "Durchgangssyndrom" oder "septische Enzephalopathie", führen zu Verharmlosung, Missverständnissen oder der Annahme eines „normalen Erscheinungsbildes“ (vgl. AWMF 2010; Pandharipande et al. 2007). Eine Verharmlosung durch unangebrachte Begriffe trägt zu einer Verkennung der akuten Situation für Patienten bei (vgl. Ely, Siegel & Inouye 2001). Auch die Annahme einer „normalen“ Erscheinung oder die Verwechslung mit ähnlichen Krankheitsbildern (Demenz, Depression etc.), sowie die schwierige Erkennung hypoaktiver Formen des Delirs erschweren die Einschätzung (vgl. Ely, Siegel & Inouye 2001). Daraus resultiert die Notwendigkeit, mit einem geeigneten Einschätzungsinstrument gezielt auf Symptome, Risikofaktoren, auslösende Faktoren und Formen von Delir zu achten.

Verlauf und Maßnahmen im Projekt

Für das Monitoring von Delir im Bereich der Intensivstation wurde eine Literaturrecherche durchgeführt. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden die Instrumente ICDSC und CAM-ICU (Confusion Assessment Methode for the Intensive Care Unit) als zuverlässige Einschätzungsmöglichkeit identifiziert (vgl. AWMF 2015; Ely, Inouye et al. 2001; Ely, Margolin et al. 2001). Diese wurden von Pflegenden der Intensivstation hinsichtlich Verständlichkeit, Zeitaufwand und Handhabung im Rahmen einer Instrumentenwahl, getestet. Zusätzlich wurde die Integrierbarkeit in das PDMS (Patienten Daten Management System) geprüft. In diesem Zusammenhang wurde die ICDSC als ein zuverlässiges Instrument ausgewählt und in das digitale Dokumentationssystem der Intensivstation integriert.

Um eine zuverlässige Einschätzung durch die Pflegenden der Intensivstation zu gewährleisten wurden diese in einer Basisschulung zu Grundlagen von Delir, dessen Risikofaktoren und ergänzenden Assessmentverfahren unterwiesen. Die Einschätzung wurde in bettseitigen Individualschulungen ergänzt. Hintergrundinformationen in schriftlicher Form sowie eine Interpretationshilfe für schwierig zu beurteilende Situationen wurde in einem Informationsordner im Stationsbereich hinterlegt. Ergänzend wurde eine „Fokusgruppe Delir“ etabliert, die durch erweiterte Schulung den Pflegenden unterstützend zur Seite gestellt sind.

Ergebnisse

  • Im Implementierungszeitraum von Juni 2015 bis September 2015 konnte den Pflegenden und Ärzten der Themenkomplex Delir im Setting der Intensivstation nähergebracht werden.
  • Die Pflegenden schätzen Patienten der Intensivstation regelmäßig mit dem Instrument der ICDSC auf Delir ein.
  • Die Häufigkeit der Einschätzung von „einmal pro Schicht“ konnte im Projektzeitraum noch nicht erreicht werden.
  • Bei kommunikationseingeschränkten Patienten bestehen noch Interpretationsschwierigkeiten.
  • Nachschulungen für eine sichere Einschätzung werden als erforderlich gesehen.

Weitere Evaluationsergebnisse werden mit der Bachelor-Arbeit von Herrn Kerschensteiner publiziert.

Beteiligte und Mitakteure

  • Projektleitung: Chr. Kerschensteiner
  • Projektbetreuung: J. Gerstmeier-Nehmer, MSc, BA
  • Projekt- und Fokusgruppenmitglieder: Dr. G. Gerresheim; Dr. M. Löw; Th. Fischer; A. Frank; Chr. Grad; P. Keil; H. Schardt; M. Walter
  • Pflegedienstleitung: B. Krautz
  • Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin: PD Dr. U. Schwemmer

Projektlaufzeit

Die Implementierungsphase dauerte vom 01. Juni 2015 bis zum 30. September 2015.

Quellen

AWMF (2010): Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (S3-Leitlinie). Veröffentlicht im Februar 2010 von: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.; http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-012.html (Stand: 10.11.2014).
AWMF (2015): Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (S3-Leitlinie). Veröffentlicht im August 2015 von: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.; http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-012.html (Stand: 18.10.2015).
Bergeron, N., Dubois, M. J., Dumont, M., Dial, S., & Skrobik, Y. (2001): Intensive Care Delirium Screening Checklist: evaluation of a new screening tool. Intensive Care Med, 27(5), S. 859 - 864.
Brummel, N. E., Vasilevskis, E. E., Han, J. H., Boehm, L., Pun, B. T., & Ely, E. W. (2013): Implementing delirium screening in the ICU: secrets to success. Crit Care Med, 41(9), S. 2196 - 2208.
Ely, E. W., Inouye, S. K., Bernard, G. R., Gordon, S., Francis, J., May, L., , Truman, B., Speroff, T., Gautam, S., Margolin, R., Hart, R.P., Dittus, R. (2001): Delirium in mechanically ventilated patients: validity and reliability of the confusion assessment method for the intensive care unit (CAM-ICU). Jama, 286(21), S. 2703 - 2710.
Ely, E. W., Margolin, R., Francis, J., May, L., Truman, B., Dittus, R., Speroff, T., Gautam, S., Bernard, G. R., Inouye, S. K. (2001): Evaluation of delirium in critically ill patients: validation of the Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit (CAM-ICU). Crit Care Med, 29(7), S. 1370 - 1379.
Ely, E. W., Siegel, M. D., & Inouye, S. K. (2001): Delirium in the intensive care unit: an under-recognized syndrome of organ dysfunction. Semin Respir Crit Care Med, 22(2), S. 115 - 126.
Girard, T. D., Pandharipande, P. P., & Ely, E. W. (2008): Delirium in the intensive care unit. Critical Care, 12(Suppl 3), S. 1 – 9.
Inouye, S. K. (2006): Delirium in older persons. N Engl J Med, 354(11), S. 1157 - 1165.
Pandharipande, P., Cotton, B. A., Shintani, A., Thompson, J., Costabile, S., Truman Pun, B., Dittus, R., Ely, E. W. (2007): Motoric subtypes of delirium in mechanically ventilated surgical and trauma intensive care unit patients. Intensive Care Med, 33(10), S. 1726 - 1731
Pretto, M., & Hasemann, W. (2006): Delirium - Ursachen, Symptome, Risikofaktoren, Erkennung und Behandlung. Pflegezeitschrift, 3, S. 9 - 16.

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